WICHTIG: Widerspruch gegen ALG II Sanktion einlegen

Mit Beschluss vom 26.05.2015 hat das Sozialgericht Gotha – als erstes bundesweites Sozialgericht – Hartz IV Sanktionen für verfassungswidrig erklärt und die Frage um die Verletzung der Menschenrechte durch die Leistungskürzungen an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zur Prüfung vorgelegt.

 

Hartz IV Empfänger, die von einer solchen Sanktion betroffen sind, sollten unbedingt Widerspruch gegen einen entsprechenden Sanktionsbescheid einlegen und ggfls. Klage erheben. Dies rät Roland Rosenow von der Kanzlei Sozialrecht in Freiburg in einem Interview mit „Radio Dreyeckland“. Der Spezialist und freiberufliche Dozent für Sozialrecht weist darauf hin, dass nur im Falle eines Widerspruchs die Chance besteht, dass die Sanktion aufgehoben wird, sollte das Bundesverfassungsgericht den Sanktionsparagraphen kippen.

Wird kein Widerspruch gegen einen Sanktionsbescheid erhoben, wird die Hartz IV Sanktion rechtskräftig und damit auch nicht aufgehoben – auch dann nicht, wenn die Karlsruher Richter die Sanktionen aufheben oder zumindest beschränken.

Zum Urteil: Sozialgericht: Hartz IV Sanktionen verfassungswidrig!

Widerspruchsfrist beachten

Beim Widerspruch gegen den Hartz IV Sanktionsbescheid sollten sich Betroffene mit dem Aktenzeichen des Sozialgerichts Gotha (Beschluss vom 26.05.2015 – Az.: S 15 AS 5157/14) an das zuständige Jobcenter richten. Die Widerspruchsfrist beträgt 1 Monat ab Zustellung.

Mehrbedarf wegen einer Laktoseintoleranz

Der Sozialträger weigerte sich den Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung zu übernehmen. Die Tochter müsse nicht zwangsläufig andere Nahrungsmittel essen, sie müsse lediglich auf solche mit Milchzucker verzichten. Daraus könne kein Mehraufwand entstehen. Die Mutter sah das allerdings anders und ging vor Gericht.

Der Sachverhalt

Wie die Deutsche Anwaltshotline berichtet, lebt eine Mutter mit ihrer Tochter in einer Bedarfsgemeinschaft und bekommt Arbeitslosengeld. Die Tochter leidet unter einer Laktoseintoleranz und muss auf Milchprodukte verzichten. Die Mutter forderte daraufhin zusätzliche Unterstützung, da laktosefreie Nahrung teurer sei als normale Milchprodukte.

Es seien pro Monat etwa 30 Euro mehr nötig, wenn man die Essgewohnheiten der 17-Jährigen zugrunde lege. Der Sozialträger weigerte sich jedoch den Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung zu übernehmen. Die Tochter müsse nicht zwangsläufig andere Nahrungsmittel essen, sie müsse lediglich auf solche mit Milchzucker verzichten. Daraus könne kein Mehraufwand entstehen. Die Mutter sah das allerdings anders und ging vor Gericht.

Das Urteil

Nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen leidet die Klägerin nachweislich an Laktoseintoleranz. Dies stellt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine gesundheitliche Beeinträchtigung dar, die grundsätzlich einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 5 SGB II auslösen kann (BSG, Urt. v. 14.02.2013 - a.a.O., Rn. 13 bei juris). Es handelt sich um eine Krankheit auch im Sinne der internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10-GM E73).

Verträglichkeit von Laktose unterliegt keinen eindeutigen systematischen Regeln

Die Verträglichkeit von Laktose unterliegt keinen eindeutigen systematischen Regeln, sondern ist individuell unterschiedlich. In der Regel werden jedoch 12 g bis 15 g, teilweise bis zu 24 g Laktose pro Tag toleriert, so dass eine Substitution mit speziellen Nahrungsmitteln nicht erforderlich ist. Therapeutisch gibt es bei Laktoseintoleranz keine spezielle Diät. Es wird eine Vollkost mit einer auf das Beschwerdebild angepassten Ernährung empfohlen. Die ernährungsmedizinische Behandlung besteht im Meiden von Nahrungsmitteln, die nicht vertragen werden (z.B. Kuhmilch). Die Deckung des Kalziumbedarfs ist insbesondere durch den Verzehr von Milchprodukten möglich, die von Natur aus sehr geringe Mengen an Laktose enthalten (z.B. reifer Käse). Eine kostenaufwändigere Ernährung ist damit in der Regel nicht erforderlich.

Monatliche Mehrkosten in Höhe von rund 2,00 bis 2,60 Euro

Nach den überzeugenden und widerspruchsfreien Ausführungen des Gutachters Dr. H. kann ohne Nachteil auf alle laktosehaltigen Nahrungsmittel außer Milch und Milchprodukte verzichtet werden. Ein Liter Milch reicht nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) für drei bis vier Tage. Im Monat werden somit rund siebeneinhalb bis zehn Liter Milch benötigt. Dies ergibt monatliche Mehrkosten in Höhe von rund 2,00 bis 2,60 Euro, was rund ein Prozent des im Leistungszeitraum relevanten Regelbedarfs der Klägerin entspricht. Der Mutter könne zugemutet werden, für diese Mehrkosten selbst aufzukommen.

Gericht:
Sozialgericht Freiburg, Urteil vom 17.04.2015 - S 15 AS 3600/13 ZVW