Fachanwältin für Sozialrecht
Am 06.12.2016 hat Frau Rechtsanwältin Worm den Titel "Fachanwältin für Sozialrecht" verliehen bekommen.
Wir bedanken uns bei allen Mandanten und hoffen auch weiterhin auf eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Hartz IV: Fahrtkostenpauschale bei Nebentätigkeit wird nicht auf Sozialleistungen angerechnet
Entgelt bis 100 Euro monatlich fällt unter Einkommensfreibetrag
Erhält ein Bezieher von Arbeitslosengeld II mit einem Nebenjob eine Fahrtkostenpauschale für Fahrten im Auftrag des Arbeitgebers, wird diese nicht auf die Sozialleistung angerechnet. Dies entschied das Sozialgericht Dortmund.
Der Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls, ein Langzeitarbeitsloser aus Bochum, arbeitete zehn Stunden monatlich für 100 Euro als Gärtner. Dazu erhielt er eine Fahrtkostenerstattung für die Entsorgung von Grünabfällen in Höhe von 25 Euro monatlich.
Jobcenter rechnet Fahrtkostenerstattung als Einkommen an
Das Jobcenter Bochum hob die Bewilligung von Arbeitslosengeld II teilweise auf, rechnete die Fahrtkostenerstattung als Einkommen an und machte eine Erstattungsforderung bei dem Arbeitslosen geltend.
Vom Arbeitgeber gezahlten Fahrtkosten stellen keine anrechnungsfähige Einnahme des Klägers dar
Die hiergegen von dem Arbeitslosen bei dem Sozialgericht Dortmund erhobene Klage hatte Erfolg. Entgelt bis 100 Euro monatlich falle unter den Einkommensfreibetrag. Die vom Arbeitgeber gezahlten Fahrtkosten stellten keine anrechnungsfähige Einnahme des Klägers dar. Denn die Fahrtkostenpauschale bewirke kein Mehr an zum Lebensunterhalt zur Verfügung stehenden Mitteln, sondern gleiche nur vom Arbeitgeber veranlasste Unkosten des Klägers aus. Die Pauschale orientiere sich an den bei der Entsorgung der Grünabfälle entstehenden Kosten von 0,30 Euro pro Kilometer.
SG Dortmund, Urteil vom 04.04.2016 - S 31 AS 2064/14 -
Quelle: Sozialgericht Dortmund/ra-online
Hartz IV: Kostenübernahme für Schulbücher
Ein schulpflichtiges Kind aus einer Hartz-IV-Empfänger-Familie hat Anspruch auf Kostenerstattung für den Kauf von Schulbüchern, so das Sozialgericht Hildesheim in seinem Urteil. In Bundesländern ohne Lernmittelfreiheit seien die Kosten für Schulbücher als besonderer Mehrbedarf anzusehen.
Hintergrundinformation
Empfänger von Arbeitslosengeld II, auch Hartz IV genannt, haben nach § 21 Abs. VI des Zweiten Sozialgesetzbuches (SGB II) Anspruch auf Erstattung von Beträgen, die einen nicht nur einmaligen, unabweisbaren, laufenden besonderen Mehrbedarf darstellen. Unter einem Mehrbedarf ist ein Bedarf zu verstehen, der über den sogenannten Regelbedarf hinausgeht. „Unabweisbar" bedeutet, dass der Mehrbedarf weder durch Zuwendungen von dritter Seite noch durch Einsparungen zu finanzieren ist.
Der Sachverhalt
Schulbücher können teuer sein - und Schüler aus Hartz-IV-Familien haben oft das Problem, dass sie diese kaum bezahlen können. So ging es auch zwei Gymnasiasten aus Niedersachsen. Dort gibt es keine Lernmittelfreiheit und sie konnten die Bücher auch nicht von der Schule ausleihen.
Pro Schüler wären Kosten in Höhe von 235,45 Euro angefallen - insgesamt also 470,90 Euro. Da die Familie dies nicht mehr bezahlen konnte, beantragte sie Kostenerstattung beim Jobcenter. Das Amt war jedoch nur zur Zahlung von 100 Euro jährlich pro Kind bereit - und dies auch nur im Rahmen des sogenannten Schulbedarfspakets, von dem alle Kosten des Schulbesuchs zu bezahlen sind, wie etwa Schulranzen, Taschenrechner, Sportsachen und Schreibzeug. Alles andere müssten die Schüler eben von den regulären Leistungen ansparen. Ein laufender Bedarf liege nicht vor, da die Bücher nur einmal im Jahr anzuschaffen seien.
Das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim
Nach Mitteilung des D.A.S. Leistungsservice entschied das Sozialgericht Hildesheim im Sinne der Schüler und gestand diesen den gesamten Betrag zu. Der Staat habe schon nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts alle "Befähigungskosten" von schulpflichtigen Kindern aus Hartz-IV-Familien zu tragen. Hier handle es sich um unabweisbare Kosten.
Ohne Lernmittel kein erfolgreicher Schulbesuch
Ohne Schulbücher wären die Kinder von den Chancen auf eine gute Schulausbildung ausgeschlossen. Denn ohne Lernmaterial sei kein erfolgreicher Schulbesuch möglich. Eine Ansparung mit Hilfe des Regelsatzes zu verlangen, sei unrealistisch - dieser sähe nur 1,39 Euro monatlich für Bildung vor, und der Rest sei für andere Bedürfnisse wie die Lebenshaltung erforderlich.
Lernmittelfreiheit nicht in allen Bundesländern
Auch sah das Gericht hier die Gefahr einer Ungleichbehandlung von Kindern in verschiedenen Bundesländern. Denn in einigen Ländern gibt es Lernmittelfreiheit, in anderen nicht. In Ländern ohne Lernmittelfreiheit seien die Kosten für Schulbücher als besonderer Mehrbedarf anzusehen.
Gericht:
Sozialgericht Hildesheim, Urteil vom 22.12.2015 - S 37 AS 1175/15